Publikationen und Berichte

Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Waldorfpädagogik

Download als PDF (7 MB): Heidi Engel, BNE in der Waldorfpädagogik

Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Waldorfpädagogik

Eine Bachelorarbeit von Heidi Engel, vorgelegt an der Universität Osnabrück im Sommer 2010

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Nachhaltigkeit als Gesamtkonzept der Waldorfpädagogik

3 Bildung für nachhaltige Entwicklung und ihre Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland

3.1 Nachhaltige Entwicklung in der Agenda 21

3.1.1 Die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992

3.1.2 Partizipation der Jugend am politischen Diskurs, Agenda 21, Kapitel 25

3.1.3 Bewusstseinswandel durch Bildung, Agenda 21, Kapitel 36

3.2 Die Umsetzung der Agenda 21 in Bildungskonzepte

3.2.1 Der BLK-Orientierungsrahmen

3.2.2 Bildungskonzepte im BLK Programm „21“

3.2.3 Das BLK Programm Transfer „21“

3.2.4 Die UN- Dekade „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“

3.3 Die Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung

 

4 Waldorfpädagogik

4.1 Die Entstehung der Waldorfpädagogik

4.1.1 Die Anthroposophie als Grundlage der Waldorfpädagogik

4.1.2 Das soziale Hauptgesetz nach Rudolf Steiner

4.1.3 Die Gründung einer autonomen Schule

4.2 Das Bildungskonzept der Waldorfpädagogik

4.2.1 Grundlagen des Bildungskonzeptes der Waldorfpädagogik

4.2.2 Die Rolle des Lehrers in der Waldorfpädagogik

4.2.3 Methodik und Didaktik in der Waldorfpädagogik

4.3 Waldorfpädagogik in der Praxis

4.3.1 Die Waldorfschulen als Schulen in freier Trägerschaft

4.3.2 Die Schulorganisation

4.3.3 Das Wachsen der Schulbewegung

 

5 Kompetenzvermittlung im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Waldorfpädagogik

5.1 „Hauptunterricht“ in der Waldorfpädagogik

5.1.1 Aspekte des Hauptunterrichts

5.1.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus dem Hauptunterricht

5.1.3 Kompetenzbildung durch den Hauptunterricht

5.2 Sachkundeunterricht in der 3. Klasse der Waldorfpädagogik

5.2.1 Aspekte des Sachkundeunterrichts

5.2.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus dem Sachkundeunterricht

5.2.3 Kompetenzvermittlung durch den Sachkundeunterricht

5.3 Fremdsprachenunterricht

5.3.1 Aspekte des Fremdsprachenunterrichts der Klassen eins bis vier

5.3.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus dem Fremdsprachenunterricht

5.3.3 Kompetenzvermittlung durch den Fremdsprachenunterricht

5.4 Musikerziehung in der Waldorfpädagogik

5.4.1 Aspekte der Musikerziehung

5.4.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus der Musikerziehung

5.4.3 Kompetenzvermittlung durch Musikerziehung

5.5 Eurythmie

5.5.1 Aspekte des Eurythmieunterrichts

5.5.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus dem Eurythmieunterricht

5.5.3 Kompetenzvermittlung durch Eurythmie

5.6 Kunsterziehung in der Waldorfpädagogik

5.6.1 Aspekte der Kunsterziehung

5.6.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus der Kunsterziehung

5.6.3 Kompetenzvermittlung durch Kunsterziehung

5.7 Werkerziehung und Gartenbau in der Waldorfpädagogik

5.7.1 Aspekte der Werkerziehung und des Gartenbauunterrichts

5.7.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus der Werkerziehung und dem Gartenbauunterricht

5.7.3 Kompetenzvermittlung durch Werkerziehung und Gartenbau

5.8 Projektarbeit in der Waldorfpädagogik

5.8.1 Aspekte der Projektarbeit

5.8.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus der Projektarbeit

5.8.3 Kompetenzvermittlung in der Projektarbeit

5.9 Praktika in der Waldorfpädagogik

5.9.1 Aspekte der Praktika

5.9.2 Methodisch-didaktische Beispiele aus den Praktika

5.9.3 Kompetenzvermittlung in Praktika

 

6 Ergebnisse von Schüler- und Absolventenbefragungen

 

7 Abschließende Betrachtung

 

8 Ausblick

 

Literatur

 

Anhangsverzeichnis

Anhang 1: Schlüsselkompetenzen nach Gerhard Becker

Anhang 2: Epochenheft aus der Geographieepoche der 7. Klasse

Anhang 3: Hausbauepoche 3. Klasse, Freie Waldorfschule Evinghausen

Anhang 4: Pentatonische Lieder

Anhang 5: Eurythmieform zu einem Choral von J.S. Bach

Anhang 6: Schwarz-Weiß-Zeichnen, 9. Klasse, in der Kunsterziehung der Waldorfpädagogik

Anhang 7: Objekte aus der Werkerziehung der Waldorfpädagogik

Anhang 8: Facharbeiten der 11. Klasse 2009/2010 der Freien Waldorfschule Evinghausen

Anhang 9: Bericht vom Landbaupraktikum von Lea, 9. Klasse, Mai 2010

 


1 Einleitung

Bildung für nachhaltige Entwicklung ist seit einigen Jahren ein Leitgedanke in der Nachhaltigkeitsdebatte. Sie soll zu einer nachhaltiger agierenden Gesellschaft führen, deren Mitglieder befähigt sind die Probleme der Gegenwart und Zukunft handlungs- und gestaltungskompetent zu lösen. Vieles, was in den Konzepten der Bildung für nachhaltige Entwicklung an Umgestaltung im Bildungssystem gefordert wird, scheint in den Grundlagen der Waldorfpädagogik bereits vorhanden zu sein. Obwohl - oder gerade weil - die Waldorfpädagogik bereits lange vor der aktuellen Diskussion etabliert war, muss sie ihren Platz in der Nachhaltigkeitsdebatte nun erst finden. Inwieweit die Ideen und Forderungen der Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Waldorfpädagogik integriert und bereits umgesetzt sind, soll in dieser Arbeit mit Bezug auf den Lehrplan der Waldorfschulen untersucht werden. Begonnen wird mit der Untersuchung des „Hauptunterrichts“, der den Rahmen für die meisten Fächer bildet. Dieses sind u.a. die Fächer Deutsch, Geschichte, Geographie, Mathematik, Chemie und Physik. Darüber hinaus werden neben dem Fach Eurythmie, das ausschließlich in waldorfpädagogischen Einrichtungen gelehrt wird, Fächer, die an waldorfpädagogischen Einrichtungen inhaltlich und strukturell eine besondere Berücksichtigung finden, auf ihre Kompetenzvermittlung hin untersucht. Dabei handelt es sich um Nebenfächer, wie z.B. Musik und Kunst, die zum „Fachunterricht“ gezählt werden. In dieser Arbeit wird auf die Kompetenzvermittlung durch Unterrichtsinhalte und Unterrichtsstrukturen der Waldorfpädagogik, wie sie an Wal-dorfschulen vorhanden sind, eingegangen. Dabei orientiert sie sich an den von Bildung für nachhaltige Entwicklung geforderten Kompetenzen. Abschließend wer-den Umfrageergebnisse von Waldorfschülern und Absolventen der Waldorfschule auf die Frage hin untersucht, ob sich dieser Kompetenzerwerb in ihnen wiederfinden lässt. Grundlage für diese Arbeit waren vor allem der Lehrplan der Waldorfschule, in der Fassung von Tobias Richter 2003, sowie die erste Veröffentlichung zur Kompetenzbildung an Waldorfschulen von W.M. Götte, P. Loebell und K.-M. Maurer 2009. Gleichzeitig wurden die Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung, wie sie von Gerhard Becker 2001 formuliert wurden, verwendet, um Entsprechungen in der Kompetenzvermittlung an Waldorfschulen aufzuzeigen und sie so in die Nachhaltigkeitsdebatte einzugliedern.

 


2 Nachhaltigkeit als Gesamtkonzept der Waldorfpädagogik

Die Waldorfpädagogik ist ein „Impulsgeber für alles, was wir an unseren Schulen brauchen“ (Bramscher Nachrichten 2010). Mit diesem Ausspruch bedankte sich der damalige niedersächsische Ministerpräsident und heutige Bundespräsident Christian Wulff im Mai 2010 nach einer Feier zum 40-jährigen Bestehen der Freien Waldorfschule Evinghausen im Landkreis Osnabrück. Die Feier beinhaltete einige künstlerische Darbietungen. Dazu gehörte eine Aufführung des Oberstufenorchesters, das Märchen „Der Froschkönig“ in einer eurythmischen Darstellung durch die 1. Klasse und eine Sonate von Schumann, als Eurythmieaufführung der 12. Klasse. Es folgten noch humoristische Gedichte und Tänze, aufgeführt von der 3. und 4. Klasse. Abgeschlossen wurden die Darbietungen mit einem Auftritt des Oberstufenchores, der Mad World von den „Tears for Fears“ sang. Der Feier vorausgegangen war eine Führung des ehemaligen Ministerpräsidenten durch den Schulkomplex, der Besuch der Ausstellung der künstlerischen Abschlussarbeiten der 12. Klasse, wo Gemälde, Zeichnungen und Plastiken präsentiert wurden, und ein Besuch in der Schmiede. Die Wahrnehmung von „umfassender Bildung“ durch die Waldorfpädagogik mit einer gleichzeitigen Freude und Unbefangenheit der Präsentation, veranlassten Herrn Wulff zu der oben zitierten Aussage. Weitere Ausführungen in seiner Dankesrede bezogen sich auf den Humor der Darbietungen und die darin spürbare kritische Reflektion politischer Verhältnisse auf einer künstlerischen Ebene. Die Schüler erlebte er schon ab der ersten Klasse als handlungsfähige Menschen. Bei der Waldorfpädagogik handelt es sich um eine Pädagogik, die, relativ unabhängig von staatlichen Einflüssen, seit neunzig Jahren erfolgreich praktiziert wird. Mit Hilfe dieser Pädagogik soll es möglich sein, „sich ohne Rückgriffe orientieren zu lernen in der Anerkennung der inneren Werthaftigkeit der Welt und des Menschen“ (Richter und Tautz 2003, 26). In einem Vortrag im Jahre 1924 in Arnheim formulierte es Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorfpädagogik, folgendermaßen: „Und ich glaube, wer sich bekannt macht, sei es durch das, was man von außen her über den Betrieb einer solchen Schule erfahren kann, sei es dadurch, dass er in irgendeiner Weise Gelegenheit hat, das Innere dieser Schule kennenzulernen, der wird sehen, dass doch in der praktischen Betätigung, in der praktischen Handhabung des Unterrichts und der Erziehung sogleich etwas hervortritt, was diejenigen Dinge, die auf Anthroposophie begründet sind, wesentlich von dem unterscheidet, was heute sonst aus unserer gegenwärtigen Zivilisation und Kultur hervorgehen kann. Dies schon aus dem Grunde, weil überall, wo wir hinblicken, in der Auswirkung des Kulturlebens im praktischen Leben eine Kluft besteht, eine Kluft zwischen dem, was die Menschen theoretisch denken, theoretisch ersinnen, und zwischen dem, was sie praktisch wirklich ausführen. Theorie und Praxis sind heute in unserem Zivilisationsleben zwei weit voneinander abstehende Gebiete geworden“ (Steiner 1965, 8). Dieses Zitat hat an Aktualität nicht verloren. Das Erlebnis des tiefgreifenden Unterschieds zu dem, was „sonst aus unserer gegenwärtigen Zivilisation und Kultur“ hervorgeht, hat den damaligen Ministerpräsident Wulff zu den zitierten Worten seiner Dankesrede geführt. Heute charakterisieren Begriffe wie „handlungsorientiert“ den Unterricht der Waldorfpädagogik, und die Schüler gelten als „gestaltungskompetent“. Dies kann dazu führen die Waldorfpädagogik in ihrem Gesamtkonzept, als Bildung für nachhal-tige Entwicklung anzusprechen. Was sind die Grundlagen für diesen Eindruck und wie lassen sie sich mit der Bildung für nachhaltige Entwicklung in Verbindung bringen? Kann Nachhaltigkeit als Gesamtkonzept der Waldorfpädagogik angesehen werden? Wäre Waldorfpädagogik dann per se als Bildung für nachhaltige Entwicklung anzuerkennen? Diese Arbeit möchte Grundlagen zur Beantwortung dieser Fragen liefern.

 


(…)

 


8 Ausblick

Weltweit wächst die Waldorfpädagogik, die vor neunzig Jahren mit dem Anspruch der Nachhaltigkeit angetreten ist, als Pädagogik, „die Einsichten entwickelt, die in Gemüt und Willen tatkräftige Antriebe erwecken“ (Steiner 1983, 17). Ein amerikanischer Absolvent formuliert es folgendermaßen: “I was asked to describe how my (Waldorf) education has served me in life – but that’s like asking me how my heart has served me in life! It has been so essential. Now I’m not saying that knitting got me into Yale. But (Waldorf education) helped me develop a vitally important capacity which I would call ‘cognitive love’ – the ability to embrace the world with one’s thinking, to engage one’s mind actively in loving dedication to a brighter future” (Research Institute for Waldorf Education). Der Absolvent äußert den Nachhaltigkeitsgedanken, der durch die Waldorfpädagogik in ihm angelegt wurde. Waldorfpädagogische Einrichtungen können somit Keimzellen dieses Gedankens sein. Wird der Ansatz der Nachhaltigkeit von waldorfpädagogischen Einrichtungen formuliert, sind sie erfolgreiche Projektteilnehmer bei Projekten der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung. Auf der Bildungsmesse »didacta 2010« in Köln erhielt die Goetheschule Freie Waldorfschule Pforzheim die Auszeichnung als »Offizielles Dekadeprojekt innerhalb der Weltdekade der Vereinten Nationen 2005-2014 Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)« „für die systemische Verankerung der Bildung für nachhaltige Entwicklung im Unterricht und Schulalltag“ sowie für die Möglichkeit, in der Oberstufe Erfahrungen in der Un-ternehmensführung in einem Naturkosmetikbetrieb zu sammeln und sich in der Indonesien-AG zu engagieren (Waldorf-Online 2010). Dadurch, dass offiziell anerkannte UN-Dekade-Projekte an Waldorfschulen durchgeführt werden, rückt die Pädagogik in den Fokus der Öffentlichkeit. Im selben Maße bekommt die Waldorfpädagogik neue Anregungen und greift den Gedanken der Nachhaltigkeit noch bewusster auf.

Diese Arbeit hat gezeigt, dass die Waldorfpädagogik dem Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Kompetenzbildung und dem Anschluss an den Nachhaltigkeitsgedanken sehr nahe kommt. In der Zukunft wäre der Einfluss der Waldorfpädagogik auf Struktur und Inhalte weiterer nachhaltiger Projekte zu untersuchen.

© 2012 Freie Waldorfschule Evinghausen