Nachhaltige Forstwirtschaft

Carl von Carlowitz: „Sylvcultura Oeconomica“Nachhaltige Forstwirtschaft

Ursprünglich war fast ganz Deutschland bewaldet. Das änderte sich mit zunehmender Besiedlung schnell: Großflächige Rodungsmaßnahmen und Holzübernutzung führten in einigen Gebieten schon ab dem späten Mittelalter zu Holzknappheit. Bergbau, Eisenverhüttung, Salzgewinnung, Schiffsbau, Handel, Städteentwicklung und Kriege waren die primären Verursacher. Schon früh versuchten darum die Landesherren mit Forstverordnungen die Nutzung zu regeln, um den Holzbedarf sicher zu stellen.

Das war der Beginn der nachhaltigen Forstwirtschaft. Erstmals wurde der Begriff „Nachhaltigkeit“ 1713 von Carl von Carlowitz , einem Oberberghauptmann, in der „Sylvcultura Oeconomica“ erwähnt. Schon damals erkannte er, dass „es eine unentbehrliche Sache“ sei.

Unser Wald ist heute durch unseren Lebensstil ganz anderen Bedürfnissen und Belastungen ausgesetzt als in früheren Zeiten. Wichtiger denn je ist es, ihn in seiner natürlichen Struktur zu erhalten.

Mehrschichtiger Mischwaldbestand als waldbauliches ZielDrei Funktionen des Waldes lassen sich grundsätzlich unterscheiden:

a) Nutzfunktion: Sein wirtschaftlicher Nutzen (Holzverwertung)

b) Schutzfunktion: Seine Bedeutung für die Umwelt, die dauernde Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, insbesondere als Lebensraum für wild lebende Tiere und wild wachsende Pflanzen, das Klima, den Wasserhaushalt, die Reinhaltung der Luft, die Bodenfruchtbarkeit, das Landschaftsbild, die Agrarstruktur und die Infrastruktur

c) Erholungsfunktion: Seine Bedeutung für die Erholung der Bevölkerung.

Waldarbeiter beim Entasten einer gefällten FichteIn den Wald- und Naturschutzgesetzen ist deshalb festgeschrieben, dass der Wald zu erhalten, erforderlichenfalls zu vermehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern ist.

Die moderne Forstwirtschaft nimmt diese Forderungen sehr ernst und hat Richtlinien für eine umfassend nachhaltige Waldbewirtschaftung erarbeitet. Forstämter, Forstbetriebe und forstwirtschaftliche Vereinigungen, die danach arbeiten, können mit dem PEFC-Siegel zertifiziert werden. Die Einhaltung wird in unregelmäßigen Abständen überprüft. Für PEFC-zertifizierte Betriebe gelten zum Beispiel folgende Regelungen:

  • a) Erstellung angepasster Bewirtschaftungspläne (nur der Zuwachs wird genutzt)

  • b) Vermeidung von Kahlschlägen

  • c) Einsatz von forstwirtschaftlich ausgebildetem Fachpersonal

  • d) Wiederaufforstung mit standortgerechten Mischwäldern

  • e) Bodenpfleglicher Maschineneinsatz durch Anlage eines dauerhaften Rückegassensystems (möglichst kein flächiges Befahren)

  • f) Pflegliche Waldarbeit (z. B. wetterangepasstes Arbeiten, Einhalten von Fällordnungen)

  • g) Einsatz von biologisch, schnell abbaubaren Kettenhaftölen und Hydraulikflüssigkeiten

  • h) Keine Endnutzung nicht-hiebsreifer Bestände, keine Ganzbaumnutzung

  • i) Erhaltung von Totholz und Höhlenbäumen im angemessenen Umfang

  • j) Hege angepasster Wildbestände

Das Forstamt Osnabrück und die Forstbetriebsgemeinschaft Engter sind seit 20.12.2001 PEFC-zertifiziert.

Ein schönes Beispiel für nachhaltige Forstwirtschaft ist die Geschichte unseres „Schulwaldes“, der neben der eigentlichen Hackschnitzelheizung einen der Ausgangspunkte unseres Bildungsprojektes darstellt:

Direkt hinter der Schule befindet sich ein kleiner Buchenwald mit einzelnen älteren Eichen. An der Ausformung der Bäume kann man erkennen, dass die Buchen früher in regelmäßigen Abständen „auf den Stock“ gesetzt wurden. Man nutzte die Eigenschaft der Buchen, aus „schlafenden Augen“ wieder neu austreiben zu können. So wuchsen aus einem „Stubben“ nach der Fällung neue Triebe, die man nach Bedarf vereinzelte und, wenn sie die nötige Stärke erreicht hatten, neu als Brennholz nutzte. Das kann man mehrmals wiederholen.

Viele Höfe teilten sich früher ihren Brennholzwald in Streifen ein und schlugen dort jeweils im Winter ihr Brennholz. So garantierten sie, dass nicht mehr genutzt wurde, als nachwachsen konnte und sie immer ausreichend Heizmaterial zur Verfügung hatten.

Die guten Eichen dagegen ließ man wachsen. Sie wurden zum Bauen und Reparieren der Häuser benötigt.

Im Rahmen unseres Bildungsprojektes wurden viele pädagogische Maßnahmen entwickelt und durchgeführt, um den Schülern altersgerecht die Bedeutung der Nachhaltigkeit in unserer Umwelt verständlich zu machen. Grundlage ist immer der pädagogische Ansatz: durch das Tun etwas zu erfahren und zu verstehen. Dafür bietet sich die Forstwirtschaft besonders an.

Zum Beispiel säten unsere Unterstufenschüler während des Eichhörnchentages Bucheckern und Eicheln in geschädigte Nadelholzbestände und gehen mit dem Förster in den Wald, die 4. bis 6. Klassen nehmen an den Waldjugendspielen teil und die 7. Klassen absolvieren ein Forstpraktikum.

Schüler bei der Arbeit am Schulwaldprojekt

Ein besonders interessantes Projekt findet im „Schulwald” statt:

Durch die sehr lange Nutzung als Brennholzwald (s.o.) stehen dort ältere Bäume auf uralten, verwucherten, z. T. faulen Wurzeln. Im Kronenbereich entwickelte sich durch Lichtmangel und Trockenheit ein großer Totholzanteil, der unsere Schüler gefährdete. Deshalb wurde durch Fällungen der gefährlichsten Bäume begonnen, den Wald zu verjüngen. Die langsam entstehenden Lücken im Altholzschirm werden in vielen Kleinprojekten von den Schülern der 5. Klassen in den nächsten Jahren mit standortsgerechten Baumarten ausgepflanzt. Über die Jahre ihrer Schulzeit beobachten und pflegen die Kinder ihre gepflanzten Bäume und verstehen die Langfristigkeit ihres Handelns. Der Baum, den sie heute gepflanzt haben, wird erst in über 100 Jahren geerntet werden, so wie wir heute die Bäume nutzen, die unsere Vorfahren gepflanzt haben.

Gleichzeitig werden wir durch ihr Tun in Zukunft einen stabilen, vielschichtigen und artenreichen Wald hinter unserer Schule haben, wo viele Schülergenerationen Nachhaltigkeit jeden Tag hautnah erfahren können.

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