Das Schulwaldprojekt

Das Schulwaldprojekt

Hinter unserer Schule befindet sich ein kleiner, historischer Buchenbrennholzwald mit eingemischten alten Eichen im Privatwaldbesitz. Für die Brennholznutzung wurden hier ganz früher die Bäume in regelmäßigen Abständen auf den „Stock gesetzt“. Aus den verbliebenen Stubben entwickelten sich neue Triebe, die irgendwann wieder genutzt wurden. So entstand ein Wald mit relativ jungen Bäumen, die auf uralten, verwucherten Wurzeln standen. Diese Wurzeln waren durch das hohe Alter und die häufige Verwundung faul und die Fäule zog in die stehenden Bäume hoch. Gleichzeitig wurde dieser Wald, seit die Höfe Ölheizung bekommen haben, nicht mehr bewirtschaftet und stand nur noch der Schule zur Verfügung. Aber Bäume wachsen weiter und konkurrieren irgendwann zunehmend um Licht, Wasser und Nährstoffe. Nach dem Trockenjahr 2004 wurde der Stress für die Vegetation zu groß. Beschattete Kronenteile starben ab und gefährdeten unsere Kinder durch abfallende tote Äste. 2007 wurde der Wald einstweilen für die Schüler gesperrt.

Schüler bei der Arbeit am Schulwaldprojekt

Grundsätzlich waren sich alle einig, der Wald soll nicht einfach gefällt werden, sondern als Altholz erhalten bleiben, um irgendwann wieder sicher für die Schulgemeinschaft zur Verfügung zu stehen. Um dies zu erreichen, muss er in vielen kleinen Schritten stabilisiert und verjüngt werden. Ziel ist es, einen lichten Altholzschirm aus gesunden Buchen und Eichen herauszubilden, der mit jungen, standortgerechten Pflanzen unterbaut wird.

Schüler bei der Arbeit am Schulwaldprojekt

Dafür wurden nun jedes Jahr, gut von der Schule aus zu beobachten, einige der kranken Bäume gefällt, die „Schlimmsten“ zuerst, damit sich die verbleibenden Buchen und Eichen an den plötzlichen Freistand gewöhnen können und sich die Kronen langsam erholen. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, der einige Jahre dauern kann. Von den gefällten Bäumen kam einiges in den Häcksler und landete in unserer Hackschnitzelheizung, was für die Schüler gut zu beobachten war. Mit der Zeit entstehen Lücken im Wald, die zugepflanzt werden sollen. Von Seiten der Waldbesitzer besteht das Angebot, die Schule in die Umstrukturierung des Wäldchens miteinzubinden. Zum Beispiel können unsere Schüler in vielen Kleinprojekten helfen, die Lücken auszupflanzen und sie zu pflegen. Es ist ebenfalls geplant, einen ökologisch wertvollen Waldrand zu konzipieren und anzulegen. Die Waldbesitzer übernehmen alle Materialkosten.

Schüler bei der Arbeit am Schulwaldprojekt

In Frage kamen zunächst die Schüler der Klassen 5 bis 7, wobei noch offen war, ob es Klassenprojekte werden oder ob es Winteraktionen für den Gartenbauunterricht werden sollten. Für die Bearbeitung dieser Aufgabe im Rahmen des Gartenbauunterrichtes spricht, dass man sie, so der Boden nicht gefroren ist, gut im Winter durchführen kann, sowie die kleinere Gruppenstärke und der bessere Betreuungsschlüssel. Außerdem muss durch die unmittelbare Begleitung durch den Gartenbaulehrer als Fachmann sich nicht jeder Klassenlehrer auf Neue in die Details einarbeiten. Nichtsdestotrotz muss er dennoch dabei behilflich sein, im Sinne des pädagogischen Dreischritts seine Schüler an das Thema heranzuführen und ihnen möglichst viele Anknüpfungspunkte zu bieten, damit die Kinder eine Eigenmotivation entwickeln können.

Schüler bei der Arbeit am Schulwaldprojekt

Auch die einzelnen Jahrgangsstufen sind differenziert zu betrachten. Theoretisch gehörte ein solches Projekt an unserer Schule in die 7. Klasse, in der auch das Forstpraktikum angesiedelt ist. Praktisch sind die Schüler in diesem Alter für körperliche Arbeiten in Schulnähe eher schwer zu begeistern, wie die Erfahrung zeigte. Bei einem ersten erfolgreichen Pflanzgang im Schulwald erwies sich, dass die jüngeren Kinder der fünften Klasse körperlich bereits gut in der Lage sind, im Wald kleine Bäumchen zu pflanzen, dabei aber leichter zu motivieren und zu begeistern sind. Außerdem haben sie noch 2-3 Jahre in der Mittelstufe vor sich, in denen sie „ihre“ Anpflanzung pflegen können. Darum wurde diese Aufgabe der Aufforstung des Schulwaldes nun im Curriculum den jeweils fünften Klassen zugewiesen.

Wichtig ist aber auf jeden Fall eine gute Vorbereitung derartiger Aktionen. Die Klassenlehrer können zum Beispiel ihre Schüler durch einen Waldspaziergang motivieren, indem sie verschiedene Waldbilder wie beispielsweise eine Fichtenmonokultur im Gegensatz zu einem vielschichtigen Laubmischwald besichtigen und vergleichend besprechen. Spannend ist auch eine Diskussion über die Entwicklung der Bäume und vor allem über ihr voraussichtliches Alter. Welcher Ur-Ur-Ur-Opa hat die Buche gepflanzt, die wir heute fällen? Was wird unser Ur-Ur-Ur-Enkel wohl mit der Eiche machen, die wir heute pflanzen?

Vor jeder Pflanzaktion müssen die Grundtechniken für das Pflanzen geübt werden. Die kleinen Bäumchen sollen in einem festen Verband (zum Beispiel 2m x 1m) gepflanzt werden, damit sie bei der späteren Pflege leichter wieder zu finden sind. Eine gerade Reihe in unebenem Gelände zu pflanzen, ist nicht immer einfach. Hier helfen Leinen und Fluchtstangen. Für die Abstände in der Reihe benutzen die Kinder Markierungen an ihren Spaten oder Zollstöcke.

Jeder Waldboden hat über dem eigentlichen Mineralboden eine Humusschicht aus sich zersetzenden Blättern und Nadeln. Wichtig ist bei der Pflanzung, dass die kleinen Wurzeln immer vollständig in den Mineralboden gepflanzt werden, damit sie feucht gehalten werden und anwachsen können. Alle Pflanzen sollen sorgfältig so fest angetreten sein, dass der Lehrer sie nicht allein mit zwei Fingern herausziehen kann. Diese Probe betrachten die Schüler in der Regel als Herausforderung und bemühen sich sehr gut zu pflanzen. Pflanzarbeit ist eine schwere und eintönige Arbeit. Es ist gut, viele kleine Pausen zu machen und sie entweder mit Wissen über die Nahrungskette im Wald (Blattfall, Humus, Nährstoffe), die Standortsansprüche und das Aussehen der Baumarten im Winterzustand zu füllen oder kleine Alternativaufgaben zu stellen. Man kann beispielsweise Äste und Reisig für den Igel und Heckenbrüter an einer Stelle sammeln lassen, Baumhöhen mit der Stockmethode messen oder einfach kurze umweltpädagogische Spiele durchführen. Ein Pflanzeinsatz sollte nicht länger als 2 – 3 Stunden dauern. Auf alle Fälle lernen die Kinder eine ganze Menge über den Wald, wenn sie „ihren“ Schulwald selbst neu gestalten. Gerade die Forstwirtschaft ist für die pädagogische Bearbeitung der Nachhaltigkeit ein geeignetes Feld, da zum Einen die Bedeutung des Waldes für das Klima viele Anknüpfungspunkte für dieses Thema bietet, zum Anderen plant und arbeitet man in sehr viel größeren Dimensionen, als wir es aus unserem Alltag gewohnt sind. Eine heute von unseren Fünftklässlern gepflanzte Buche oder Eiche wird unter Umständen erst in weit über 100 Jahren „geerntet“. Über die Jahre ihrer Schulzeit beobachten die Kinder das Wachstum der gepflanzten Bäume und erfahren so, dass unser menschliches Handeln nicht nur auf den Augenblick ausgelegt sein darf, sondern Auswirkungen auf kommende Generationen hat – im Guten wie im Schlechten.

Mehrschichtiger Mischwaldbestand als waldbauliches Ziel

In Zukunft werden wir einen stabilen, vielschichtigen und artenreichen Wald hinter unserer Schule haben, wo viele Schülergenerationen Nachhaltigkeit jeden Tag hautnah erfahren können.

Helga Scholz

© 2012 Freie Waldorfschule Evinghausen