Schön warm - wie Nachhaltigkeit erfahrbar wurde

Schön warm - wie Nachhaltigkeit erfahrbar wurde

Unsere Schule brauchte nach 35 Jahren eine neue Heizung – ein ganz normaler Vorgang. Aber was sich daraus entwickelte, ging weit über warme Klassenzimmer hinaus. Heizungsenergie wandelte sich in Lernenergie, Erfahrungsenergie, Initiativenergie. Energie geht ja bekanntlich nie verloren. Man muss sie nur in geeigneter Weise einfangen können.

Braucht eine Schule eine neue Heizung, sind Hausmeister und Vorstand gefragt. Es wird gerechnet und kalkuliert, verglichen und nach Möglichkeit gespart, auch in die Zukunft geschaut, um die Verfügbarkeit der Brennstoffe abzuschätzen. Und natürlich sollte es auch irgendwie „ökologisch“ sein oder mit einem schönen, erstaunlich deutschen Wort: Es soll „nachhaltig“ sein.

Die Heizkessel im Betrieb

Nachhaltig heizen – kann das eine Schule? Bleibt die sogenannte „weiße Energie“ aus Wind und Sonne vielleicht für eine Schule, die Investitionen aus Elterngeld tätigen muss, noch zu teuer und ist die schwarze Energie aus Kohle, Öl und Gas oder die pechschwarze Kernenergie vehement abzulehnen, so ist der Blick auf die „Graue Energie“ zu lenken. Dazu zählt das Heizen mit Holz oder Holzprodukten. Es ist CO2-neutral, erzeugt also in etwa so viel CO2, wie der Baum zum Wachsen der Luft entnommen hat. Man nutzt sozusagen die Sonnenenergie, die der Baum zeitlebens durch Photosynthese eingefangen hat.

 

Laubwald

Google Earth: Die Freie Waldorfschule Evinghausen und UmgebungMehrere große Schulgebäude durch Brennholzscheite zu heizen, verbietet sich auf Grund des Personalaufwandes von selbst. Bleibt das Heizen mit Holzpellets oder Hackschnitzeln. Die ersteren werden aus Sägemehl gepresst, ein Vorgang, der zusätzlich Energie verschlingt. Hackschnitzel kommen direkt aus dem Wald, wo sie mit mobilen Häckslern aus Ast- oder Totholz gewonnen werden.

Unsere Schule ist von ihrer Lage her privilegiert: Auf dem Lande gelegen, mitten in einem Landschaftsschutzgebiet, von Wäldern, Feldern und Weiden umgeben. Da lag es nahe, uns für eine Hackschnitzelheizung zu entscheiden. Kurze Transportwege des Heizgutes, regionale Anbieter sowie eine mittlerweile erprobte Heiztechnik – unter diesen Umständen versprachen die € 300.000,- eine sichere Investition in die Zukunft zu sein.

War aber aus diesen günstigen Rahmenbedingungen nicht noch mehr zu machen? Schule ist in erster Linie ein Lernort und ließe sich aus einer solchen neuen Heizung nicht ein Kristallationspunkt machen, um den sich in allen Jahrgangsstufen in den unterschiedlichen Fächern Lerninhalte und Erlebnisse, tatkräftige Aktionen, aber auch künstlerische Gestaltungen oder Sinneserfahrungen gruppieren könnten? Kurz: Könnten nicht Herz, Kopf und Hand vom Thema „Heizung“ oder besser „Nachhaltigkeit“ ergriffen werden?

Gerade die Elternschaft half kräftig mit, unser großes Projekt „erfahrbare Nachhaltigkeit“ auf den Weg zu bringen. Als dann noch die „Deutsche Bundesstiftung Umwelt“ (DBU), ansässig im nahen Osnabrück, dieses Bildungsprojekt für förderungswürdig befand, gab es keine Hindernisse mehr, es auch in die Tat umzusetzen.

Drei Säulen sollten das große Aktivitätendach tragen:

Die drei Säulen unseres Bildungsprojektes

  1. Die ungleich größte Gruppe: Schüler, Eltern, Lehrer und die dahinter stehende Schulöffentlichkeit.

  2. Als zweite Gruppe: Die lokalen Waldbauern, die die Hackschnitzel anliefern.

  3. Als dritte Gruppe: Die Handwerkskammer Osnabrück-Emsland, die ihre Meisterschüler des Heizungsbauerhandwerks an unserer laufenden Anlage schulen kann.

Um die erste Säule tragfähig zu machen, musste das Kollegium noch überzeugt werden. Auf den ersten Konferenzen zu diesem Thema waren zunächst einige zurückhaltende Kommentare zu hören: „Ich weiß doch gar nicht, wie die Heizanlage funktioniert“ oder „Was soll ich in einer zweiten Klasse über Nachhaltigkeit erzählen“ oder „Ich habe so viel Stoff zu vermitteln, dafür ist doch gar keine Zeit“. Mit der kompetenten Beratung seitens unserer DBU-Betreuerin stellte sich jedoch bald heraus, dass „Heizung“ tatsächlich nur der Kristallisationskern war, um den sich die verschiedenen Themen zur Nachhaltigkeit gruppierten.

Holz, Heizung, Wärme

In der Unterstufe bilden vor allem das Erleben der Natur, der Jahreszeiten, das Staunen und Entdecken den Kern der projektbezogenen Unterrichtsthemen.In der Mittelstufe ist es eher das tatkräftige Tun und engagierte Eintreten für den Natur- und Umweltschutz und in der Oberstufe besonders das gedankliche Durchdringen der Zusammenhänge, das Beurteilen von Sachverhalten, aber auch das Darstellen und Gestalten bis hin zum eigenen Forschen und zum Auswerten von Messergebnissen.

So kam viel zusammen in den vergangenen drei Jahren – eine kleine Auswahl sei hier als Anregung vorgestellt. Inhaltlich entpuppte sich dabei „Heizung“ als idealer Kreuzungspunkt der Themen Wärme und Holz.

Immer mehr Aktivitäten entwickelten sich in diesen Kontexten, über die wir regelmäßig in unserem schulinternen Wochenblatt berichten. So entstand auf dem Schulgelände ein umfangreicher Baumlehrpfad, mit etwa 50 Bäumen und ausführlichen Begleittexten. Ein öffentlicher Wanderweg führt über unseren Schulhof. So ist nicht nur das schulische Umfeld einbezogen – und genau das ist in der Tat eine weitere tragende Säule des Projekts: Es soll der Nachhaltigkeitsgedanke ausstrahlen, nicht nur in Elternschaft und Schulumkreis, sondern darüber hinaus auch in die weitere Öffentlichkeit. Zu diesem Zweck wurde auch die Website www.erfahrbare-nachhaltigkeit.de eingerichtet, auf der interessierte Menschen alle Informationen rund um unser Bildungsprojekt einsehen können. Selbstverständlich stellen wir unser Bildungsprojekt auch auf unserem alljährlich sehr gut besuchten Basar im November vor und bieten auch Heizungsführungen an. Darüber hinaus erreichen wir inzwischen auch über Zeitungsartikel eine größere Leserschaft.

Hackschnitzellieferant wartet die Anlage

Zwei Gruppen, die nicht zur Schule gehören, sind fest in das Projekt integriert. Zum Einen handelt es sich um die örtlichen Waldbauern: Einer von Ihnen ist der Hackschnitzellieferant, mit dem wir einen Liefervertrag geschlossen haben. Mit der Gemeinschaft der Waldbauern, der Forstbetriebsgemeinschaft Engter, wurde darüber hinaus noch ein Kooperationsvertrag geschlossen. Dieser beschreibt das gemeinsame primäre Ziel nachhaltiger Waldpflege und sichert die langfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit. In den Verträgen wird festgeschrieben, dass bei der Preisgestaltung nicht der Vergleich mit dem Ölpreis, sondern das Prinzip der Kostendeckung im Mittelpunkt steht.

Heizwert von Holz

In der Heizperiode muss unser Hackschnitzelsilo ein- bis dreimal wöchentlich neu aufgefüllt werden. Trotz dieser arbeitsintensiven Versorgung, ist für uns das Heizen mit Holz recht billig. Die Schule zahlt pro Jahr ca. 10.000 € weniger als wenn sie mit Öl heizen würde.

Heizkosten im Vergleich

Über den Liefervorgang hinaus sind die Forstwirte in den Bildungsteil des Projektes einbezogen. Bei Waldeinsätzen der Schüler stehen sie für Fragen zur Verfügung, während diese ihre Flächen aufforsten. Der Lieferant beteiligt sich an Heizungs-Demonstrationen, indem er einlädt, seine Trocknungsflächen zu besichtigen, den Besuchern Rede und Antwort steht und auch mal ein Demo-Häckseln veranstaltet.

Demohäckseln am Tag der Nachhaltigkeit

Durch eine glückliche Fügung ist die zuständige Bezirksförsterin der Waldbauern eine überaus aktive Schülermutter an unserer Schule. Sie arbeitet eng mit dem Hackschnitzellieferanten zusammen. Gemeinsam mit ihm überlegt sie, welche Hölzer als Restholz definiert werden können, das für den Holzmarkt nicht geeignet ist und daher ideal als Hackgut verwendet werden kann. Auf diese Weise ist sicher gestellt, dass die Hackschnitzelproduktion für unsere Heizung zugleich einen Beitrag zur nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes darstellt. Darüber hinaus wurden von der Bezirksförsterin viele Teilprojekte mit Schülern angestoßen und begleitet.

Schüler bei der Arbeit am Schulwaldprojekt

Aber auch für Schulen, die keine Försterin in ihrer Elternschaft haben, wären ähnliche Kooperationen möglich: Fast alle Bundesländer haben Stellen bzw. Institutionen für forstliche Öffentlichkeitsarbeit geschaffen, wo ausgebildete Förster mit Schulklassen Waldführungen, Waldjugendspiele oder Pflanzprojekte durchführen wie zum Beispiel Klimawaldprogramme. Informationen erhalten Sie beim zuständigen Forstamt. Vielleicht haben Sie aber auch in Ihrer Elternschaft Waldbesitzer, die gern in Zusammenarbeit mit dem Förster Flächen für Aufforstungen und Pflege – auch für einen längeren Zeitraum – zur Verfügung stellen. Eine Frage lohnt sich immer!

Unser guter Kontakt zu den benachbarten Forstwirten ist auch deshalb besonders erfreulich, weil unsere Schule – einmalig für eine Waldorfschule – vor vierzig Jahren aus der Bauernschaft heraus gegründet wurde: Diese wollten damals ihre einzügige Dorfschule behalten, die geschlossen werden sollte. Aus diesem Impuls ist nun im Lauf der Jahrzehnte eine zweizügige Waldorfschule mit mehr als 500 Schülern erwachsen, die als unmittelbarer Hackschnitzelabnehmer ein wenig an Wirtschaftskraft zurückgeben kann.

Die zweite Gruppe, die durch das Projekt mit der Schule verbunden ist, besteht aus den Heizungstechnikern und Ofenbauern der Handwerkskammer Osnabrück / Emsland (HWK), denen unsere Heizung als Anschauungsobjekt dient. Ein kleiner Unterrichtsraum direkt an der Anlage ermöglicht jederzeit unabhängig vom Schulbetrieb Gespräch, Darstellung, Unterweisung, kleine Ausstellungen und Messauswertungen. Schon zweimal fand auch eine Begegnung der Meisterschüler mit unseren Oberstufenschülern statt, wo Fragen der Berufswahl im Vordergrund standen.

Oberstufenschüler im Gespräch mit Handwerkern der HWK

Mit unserem Bildungsprojekt bewerben wir uns aktiv um die Teilnahme an Ausschreibungen wie der UN-Dekade zur Nachhaltigkeit oder dem FOCUS-Projekt „Grüne Schule“. Außerdem sind wir Mitglied im Verband der Regionalbewegung und werden in diesem Rahmen einen jährlichen Aktionstag zur Nachhaltigkeit anbieten.

Die Pilotphase unseres Projektes geht nun gerade zu Ende und wir führen eine Evaluation sämtlicher Maßnahmen durch. Aus den vielen Aktivitäten, die die Schüler betreffen, filtern wir dabei heraus, welche davon wir für bestimmte Jahrgangsstufen künftig verbindlich festschreiben wollen. Dabei ist Altbewährtes wie das Forstpraktikum und Angebote für Facharbeitsthemen, ebenso wie neue Ideen, beispielsweise die Einführung von Energiedetektiven, die darauf achten, dass das Licht nicht unnötig angeschaltet bleibt und dass nicht zum Fenster hinausgeheizt wird, aber auch aktuelle Lehrinhalte in altersrelevanter Form, wie „verstecktes“ Wasser oder CO2-foot-prints.

Dabei spielt natürlich die lehrerseitige Realisierbarkeit eine zentrale Rolle. Eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen werden darüber hinaus den Kollegen als Anregung empfohlen und Handreichungen sind zu erstellen. In der Lehrerbibliothek soll zudem eine eigene Abteilung mit Literatur zu relevanten Themen entstehen.

Wir entdecken dabei, dass in den vergangenen drei Jahren die ganze Schule sehr nachhaltig mit dem Nachhaltigkeitsgedanken durchsetzt wurde. Zwar soll es noch vereinzelt Eltern geben, die die neue Heizung noch nicht besichtigt haben, aber Hackschnitzel nur in der Schulküche zu suchen, diesen Fehler würde bei uns kein Drittklässler mehr machen.

Alles viele Stunden Zeit gekostet. Am Ende waren drei Lehrkräfte, zwei Vorstandsmitglieder und ein Elternvertreter mit der Steuerung des Projektes betraut, die sich regelmäßig trafen.

Hat sich diese Arbeit gelohnt?

Vor unserem großen Saal ist eine schwere, 200 Jahre alte Baumscheibe einer Eiche befestigt. Die Schüler haben auf den Jahresringen die Erfindungen der letzten 200 Jahre markiert. Diese alle belasten irgendwie unseren Planeten durch Abgase oder Strahlungen, durch Abfall oder Giftstoffe. Unsere Heizung wird für unsere Schüler eine Exempel für das Bemühen, diese Belastungen möglichst gering zu halten, ein erfahrbares Beispiel für Nachhaltigkeit. Alleine deshalb lohnt sich der Aufwand.

Auch wir Lehrer haben eine Menge gelernt: Vor allem zu den Fragen, wie dokumentiere ich meine Arbeit sinnvoll, wie stelle ich das Getane da und wie erreichen wir in unserer Öffentlichkeitsarbeit möglichst viele Menschen, damit das, was hier bei uns geschieht auch ausstrahlen kann. An dieser Stelle sei auch noch einmal der DBU gedankt für ihre großzügige Unterstützung und Beratung.

Dr. Gisela Mücke, Biologie-Lehrerin an der Freien Waldorfschule Evinghausen

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